Okkultismus

12. Februar 2011
Der moderne Okkultismus ist ein schwankendes Gebilde, einerseits behauptet er,
Wissenschaft zu sein, andererseits stellt es sich als Glaubenssystem, das an die Religionen
anschließt, dar, und bisweilen wird er als Synthese von Wissen und Glauben,
Wissenschaft und Religion ausgegeben. Mit dieser Synthese sei es möglich, die spätestens
seit Beginn der Neuzeit eingetretene Trennung von Glauben und Wissen zu
überwinden.
Der Anspruch des modernen Okkultismus, Wissenschaft zu sein, wenn auch noch
nicht allgemein als anerkannte, läßt sich leicht widerlegen. Wenn Okkultismus-
Anhänger behaupten, daß die Ausschläge des Pendels von Geistern, Toten, Extraterrestrischen
usw. gesteuert seien, so kann experimentell gezeigt werden, daß diese
Aussage zur Erklärung der Pendelausschläge überflüssig ist und eine entsprechende
Deutung falsch. Ein Pendel, das an einem Stativ aufgehängt ist, bewegt sich nach
einem Anfangsstoß nach den von der Physik herausgefundenen Regeln und kommt
nach Abgleichung der Anfangsenergie zur Ruhe.1 Ein über die Finger oder die Hand
gehaltenes Pendel erhält ständig von der Hand neue Energie zugeführt, da es nicht
möglich ist, die Hand wirklich ruhig zu halten. Die Hand bewegt sich ständig aufgrund
des automatischen Muskeltonus, der Blutzirkulation, der Körperbewegung
und anderen körpereigenen Vorgängen. Dies erklärt zunächst, warum ein über die
Hand gelegtes Pendel häufig nicht zur Ruhe kommt. Die Bewegungen des Pendels
kommen aber nicht nur nicht zur Ruhe, sondern erscheinen gesteuert. Diese Steuerung
ist Resultat des ideomotorischen Gesetzes (Carpenter Effekt). Dieses Gesetz
besagt, daß viele Worte (sog. Signalworte) mit kleinen oder größeren Körperbewegungen
verbunden sind. Z.B. ist bei den meisten Menschen (deutscher Muttersprache)
ein unmerklicher Augenaufschlag nach oben beim Hören oder Sprechen des
Wortes Turm nachzuweisen.
Man kann diese Wirkung der Ideomotorik auch bei Spielern am Flipper oder Kicker
beobachten, die während des Spieles – häufig ohne daß sie dies selbst wahrnehmen
– Körperbewegungen machen, die entweder der laufenden Kugel nachgeahmt sind
oder dem Wunsch, wohin der Spieler die Kugel dirigieren will, entspricht. Viele
Menschen verraten durch ihre Gesichtsbewegungen ihre Gedanken und Gefühle, die
sich unmerklich körperlich ausdrücken und von anderen Menschen gelesen werden
können (non-verbale Kommunikation). Besonders starke Affekte, Wünsche und
Ängste, erhalten bei vielen Menschen einen körperlichen Ausdruck (z.B. Angstschweiß).
Wenn nun jemand über dem Bild der neuen Freundin pendelt, um herauszufinden,
ob es denn diesmal die richtige sei, steuern die bewußten und unbewußten
Gedanken die Bewegungen des Pendels und bringen z.B. einen Kreis hervor,
der als nein oder ja verstanden wird. Der Ausschlag des Pendels wird dann als Mitteilung
z.B. eines Geistes gedeutet, gleichwohl er von dem Pendler selber hervorgebracht
worden ist. Manche Pendler und Pendlerinnen wissen dies auch, wenn sie
z.B. sagen, daß das Pendel oder die Karten „sowieso stets das zeigten, was ich im
tiefsten Inneren schon entschieden hatte“.2 An und für sich könnte man das Pendeln, wenn
man das vorher gelesene betrachtet als nicht okkult betrachten aber Okkult ist es, sich der
Geistwelt überhaupt zu öffnen und sich von ihr Leiten zu lassen. Wirkliche Okkultisten
stehen in einer ständigen Verbindung mit der Geisterwelt. Ihr komplettes Leben wird nicht
mehr von ihnen bestimmt sondern von den Praktiken die sie durchführen und den Geistern
die sie rufen. Der Okkultist unterscheidet nicht, jedenfalls nicht zureichend zwischen
Wahrnehmung und Deutung. Er geht mit einem vorher angeeigneten, aus Wünschen und
Ängsten u.a. geleiteten Wahrnehmungsmuster an die Erscheinungen heran und sieht, was
er wahrnehmen will. Okkultismus ist ein Deutungssystem, welches seine Deutungen als
Wahrnehmungen ausgibt und beides nicht unterscheiden kann oder will.
Auch beim Gläserrücken lassen sich die beim Pendeln ausgeführten physikalischen,
physiologischen und psychologischen Vorgänge in gleicher Weise aufklären. Es
kommt hier allerdings noch ein gruppendynamischer Prozeß hinzu. Voraussetzung
eines „erfolgreichen“ Gläserrückens ist, daß sich eine Gruppe zusammenfindet, die
in „Stimmung“ ist und psychisch bewußt oder unbewußt ein Ergebnis haben will.
Wenn die Gruppe nicht in „Stimmung“ ist, z.B. weil sie einem Forscher gestattet hat,
ihrem Gläserrücken zuzusehen, führt dies, wie Zinser häufig beobachten konnte,
dazu, daß das Glas sich nur diffus bewegt oder gleich zu Beginn zum „nein“ wandert,
wodurch angezeigt sein soll, daß kein Geist da sei. Wenn man eine Gruppe,
nachdem sie eine Reihe von „Mitteilungen“ erhalten hat, auffordert, die Buchstaben
auf dem Tisch verdeckt hinzulegen, so daß die Mitspieler sie nicht sehen können und
nur der am Gläserrücken nicht beteiligte „Protokollant“ unter die verdeckten Buchstabenkarten
sieht, erweist sich regelmäßig, daß nur noch Buchstabensalat herauskommt.
Es zeigt sich, daß auch die Mitteilungen des rückenden Gläschens von den
Beteiligten bewußt oder unbewußt selber gesteuert sind. Sind aber Sensitive Personen oder
sogar Medien am Gläserrücken beteiligt wurden wenn auch nicht immer auch bei verdeckt
abgelegten Karten klar verständliche Botschaften übermittelt.
Daß die Okkult Anhänger nicht zwischen Wahrnehmung und Deutung unterscheiden,
läßt sich auch bei sog. psychokinetischen oder telekinetischen Experimenten
erweisen. Unterhaltungszauberer können auf scheinbar „unnatürliche“ Weise z.B.
Löffel verbiegen. Dies ist mit Hilfe verschiedener Tricks leicht möglich. Ein Unterhaltungskünstler
erklärt z.B., daß er einen zwischen Zeigefinger und Daumen mit
ausgestreckter Hand gehaltenen Löffel mit seinen „psychischen“ Kräften verbiegt.
Skeptiker sagen das es unter experimentellen und kontrollierten Bedingungen bisher nur wenigen
Menschen gelungen ist, mit sog. psychokinetischen Kräften, Psi oder was auch immer, einen Gegenstand
zu verbiegen. Bei kontrollierten Experimenten wurden die Medien entweder der Täuschung
(bisweilen auch der Selbsttäuschung) überführt oder sie konnten ihre Experimente
nicht wiederholen. Wichtig ist, daß man bei solchen Experimenten nicht nur einen
Fachwissenschaftler, sondern ebenfalls einen Unterhaltungstäuschungskünstler hinzuzieht,
dem die Tricks bekannt sind und der sich deshalb – wie übrigens häufig
auch kleine Kinder – nicht so leicht irreführen läßt.
Aber keinem dieser Skeptiker ist es bis jetzt gelungen zu erklären wie Uri Geller es in den
neuen Sendungen schaffen konnte das sich Löffel sogar auf den Fernsehgeräten Daheim
bei den Zuschauern verbogen haben.
Nicht anders verhält es sich mit den Rutengängern. Skeptiker, die eine Geistwelt nicht für Real halten
Behaupten das es sich unter kontrollierten Bedingungen, wie z.B. beim Wünschelrutentest in Kassel,
zeigte, daß die Rutengänger nur Ergebnisse erzielen konnten, die innerhalb des Zufallsbereiches lagen,
also von jedermann auch geraten sein konnten. Vor allem aber konnten sie „Treffer“ nicht wiederholen.3
Was Skeptiker nicht wahr haben wollen und sogar totschweigen ist die Tatsache das überall auf der Welt
Rutengänger von Prominenten und sogar Adligen angefordert werden um Wasserquellen oder verborgene Erdstrahlen zu finden. Das sie dabei meist Erfolg haben und durch diese Erfolge die normale Wissenschaft
Lügen gestraft wird ist der Grund weshalb Skeptiker diese Beweise nicht anerkennen und von Scharlatanerie sprechen.
Ebenso verhält es sich mit den esoterischen und okkulten Heilungsversprechen. Die
alternativen, komplementären und anderen Heilungsmethoden werden in der wissenschaftlichen
Medizin immer wieder Wirksamkeitsnachweisen unterzogen und
diese Prüfungen haben, sofern sie aufgrund der Berichte überhaupt möglich sind,
regelmäßig ergeben, daß die behaupteten Eigenschaften nicht nachgewiesen werden
konnten. Viele Heilungsaussagen sind auch von vornherein so unbestimmt, daß sie
überhaupt nicht überprüft werden können. Wenn Geistheiler behaupten, durch Auflegen
ihrer Hände: „Asthma, Blasenschmerzen, Leberkrebs, Multiple Sklerose,
Ohrensausen und Taubheit kurieren“ zu können (Rolf Drevermann), Hirntumore
durch Fernheilung beseitigt zu haben (Dr. Eli Lasch), durch exorzistische Rituale,
Amulette, weiße Magie „schwere psychische Leiden wie Depression und Ängste,
chronische Schmerzen, Alkoholismus und Drogensucht, schwere Nervenleiden wie
Parkinson oder Herzkrankheiten, Bronchitis oder Durchblutungsstörungen, offene
Beine oder rheumatische Erkrankungen, Allergie und Neurodermitis“ diagnostizieren
und behandeln zu können (Christos Drossinakis), dann ermangelt solchen
Behauptungen die für jede wissenschaftliche Untersuchung unabdingbare
Bestimmtheit.4 Dokumentationen über einzelne Fälle liegen nicht vor oder sind nicht
nachprüfbar und bleiben allenfalls Anekdote.
Ein Zusammenhang zwischen dem Handauflegen eines Geistheilers, Neo-Schamanen
oder der Edelsteine und einer Heilung, wenigstens einer Linderung mag von
den Kranken subjektiv angenommen werden, im wissenschaftlichen Sinne nachweisbar
und wiederholbar sind sie nicht. Die subjektive Wahrnehmung einer Besserung
mag auf Spontanremissionen, Placeboeffekte oder auf eine gleichzeitige ärztliche
Behandlung zurückzuführen sein. Eine besondere Bedeutung spielt auch die
zum Zauberwort gewordene Psychosomatik. Selbstverständlich wird kaum jemand
in Frage stellen, daß die psycho-soziale Situation bei fast jeder Erkrankung und
damit auch bei der Heilung eine Rolle spielt, aber diese Einsicht in eine therapeutische
Maßnahme umzusetzen, ist, wie das Beispiel der Magengeschwüre gezeigt hat,
zumindest problematisch.5 Angesichts des großen Spektrums der durch Geistheilung
etc. therapierten Krankheiten mag es sich auch um eingeredete oder eingebildete
Krankheiten handeln, die dann erfolgreich durch die Psi-Kräfte oder anderes
des Heilers als „geheilt“ erlebt werden können.6 Der bereits angeführte Dachverband
der Geistheiler hatte 1995 eine Dokumentationsstelle eingerichtet, „um Erfolge aus
Heilpraxen nach medizinischen Maßstäben zu dokumentieren“. Bis 1998 gelang es
dieser Stelle nicht, auch nur „einen einzigen dokumentierten Fall“ vorzulegen; von
den 17 Heilern, die dem Vorstand dieses Verbandes angehörten, „sahen sich 15
außerstande, auch nur einen einzigen bemerkenswerten Fall aus ihrer Praxis zur
Begutachtung einzureichen“, wie der frühere 1. Vorsitzende dieses Verbandes in
einem Resümee 4 Jahre später schreibt.7 Vielleicht mag dieses Eingeständnis eines
Vertreters esoterischer und okkulter Heilverfahren bei Anhängern solcher alternativer
Heilverfahren mehr Zweifel an der Wirksamkeit derselben erwecken als die wissenschaftliche
Medizin.
Man muß sich für die verbreitete Inanspruchnahme von Geistheilern, Reiki, Edelsteintherapie
usw. auch vor Augen halten, daß die wissenschaftliche Medizin in den
letzten 200 Jahren zwar außerordentliche Erfolge in der Bekämpfung vieler Krankheiten
aufweisen kann, daß sie aber vor vielen, vor allem chronischen Krankheiten,
vielleicht Leiden mindern, aber nach wie vor keine kausale Therapie anbieten kann.
Die Kranken wollen sich aber mit ihren Schmerzen und Leiden schließlich nicht
abfinden und wenden sich verzweifelt an alternative Heiler, von denen sie meist
schamlos ausgenutzt werden. Verzweifelte und Verwirrte gibt es aber nicht nur
unter den leidenden Patienten, sondern auch unter den approbierten Ärzten, von
denen es immerhin 40 in Deutschland geben soll, die Geistheilung in ihrer Praxis einsetzen
und von ihr sich etwas erhoffen.
Es ist hier nicht beabsichtigt und auch gar nicht möglich, alle sachlich falschen
Behauptungen, Theoriegebäude und Vorstellungen des modernen, sich als Wissen
verstehenden Okkultismus zu widerlegen. Dies ist auch eher eine Aufgabe der
jeweiligen Fachdisziplinen. Die „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung
von Parawissenschaften“ hat seit über einem Jahrzehnt Untersuchungen zu Behauptungen
und Ergebnissen der Pseudowissenschaften und Parawissenschaften unternommen
und regelmäßig nachweisen können, daß der Anspruch okkulter Behauptungen
einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht haben standhalten können.8
Hier können nur einzelne Beispiele gegeben werden, um den Anspruch des Okkultismus,
Wissen oder gar „höheres“ Wissen zu sein, zurückzuweisen. Es sei nur noch
auf das für alle Wissenschaften grundlegende Prinzip der Kritik hingewiesen. Gerade
weil die Unterscheidung von Wahrnehmung und Deutung in vielen Fällen
schwierig ist, da in die Wahrnehmung projektiv immer auch die unser Denken
bestimmenden Muster eingehen, haben die Wissenschaften Methoden der systematischen
Kritik und Selbstkritik ausgebildet. Eine methodische Kritik und Selbstkritik
aber gibt es im Okkultismus nicht, im Gegenteil werden okkulte Vorstellungen
durch Hilfskonstruktionen gegen eine Kritik immunisiert. Charles Darwin hat einmal
gelehrt, daß es für einen Wissenschaftler darauf ankomme, nicht so sehr die Beispiele
und Materialien zusammenzutragen, die seinen Auffassungen entsprechen,
als vielmehr diejenigen, die ihr widersprechen. An diesen Widersprüchen hat sich
eine Theorie zu bewähren. Der Wissenschaftstheoretiker K. R. Popper 9 hat daraus
ein wissenschaftliches Prinzip gemacht. Wenn man den Grundsatz der Frage nach
den den okkulten Lehren widersprechenden Tatsachen einbringt, stößt man bei Esoterikern
und Okkultisten regelmäßig auf Unverständnis. Die Frage nach den den
eigenen Überzeugungen widersprechenden Erfahrungen und Erscheinungen wird
als Zumutung – meist sogar aggressiv – abgelehnt.
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