Parapsychologie

12. Februar 2011
Die Berichte über Psychokinese, Materialisationen, Hellsehen und anderes sind Aussagen
über objektivierbare Vorgänge, die im Unterschied zu vielen anderen Behauptungen
und Annahmen im modernen Okkultismus einer Überprüfung und Wiederholung
unter kontrollierbaren Bedingungen, wie dies von den modernen Wissenschaften
gefordert wird, zugänglich sind. Es bildeten sich bereits im 19. Jh. Vereine
und Organisationen16, die es sich zur Aufgabe machten, die okkulten Phänomene
„wissenschaftlich“ zu untersuchen. Zunächst wurde mit Medien bei nicht kontrollierbaren
Gelegenheiten experimentiert. In einem weiteren Schritt wurden die Experimente
in Laboratorien durchgeführt, die entsprechend den okkulten Phänomenen
ausgestaltet waren. Ferner wurden systematisch paranormale Erlebnisberichte gesammelt
und ausgewertet. Da auch bei diesen Untersuchungen die Zuverlässigkeit
der Beobachtung und der Zeugenaussagen zweifelhaft blieb, versuchte Joseph Banks
Rhine an der Duke University (USA) mit Versuchsreihen unter kontrollierbaren
Bedingungen, die Existenz und Wirkungsweise von Psi-Phänomenen und Kräften zu
untersuchen. Er und seine Mitarbeiter konstruierten Versuchsanordnungen, mit
denen durch statistische Auswertung „die Existenz eines transzendenten oder spirituellen
Elements im Menschen“17 erwiesen werden sollte. Bei diesen Versuchsreihen
(Kartenexperimenten) fand er einzelne Personen, die über eine (von ihm festgesetzte)
Zufallserwartung hinausgehende Angabe von zutreffenden außersinnlichen Wahrnehmungen
aufwiesen. Mit anderen Versuchen (Würfelexperimente) wollte er die
Möglichkeit einer psychischen Beeinflussung von Objekten (Würfel) nachweisen. Bei
der außersinnlichen Wahrnehmung wirke das Objekt auf das Subjekt, bei der Psychokinese
werde das Objekt durch das Subjekt beeinflußt. Durch seine Versuchsreihen
sah er außersinnliche Wahrnehmung und Psychokinese als erwiesen an. Der Parapsychologe
W. H. C. Tenhaeff veranstaltete mit dem „Sensitiven“18 Gerard Croiset die
sog. Platzexperimente, bei denen der holländische „Sensitive“ Croiset voraussagte,
welche Person bei einer zukünftigen Veranstaltung einen bestimmten Platz einnehmen
würde. Diese Versuche konnten in anderen Untersuchungen nicht wiederholt
werden und sowohl G. Croiset wie W. H. C. Tenhaeff wurden später des Betruges bei
ihren Versuchen überführt.19 Seit den dreißiger Jahren sind zahlreiche weitere Experimente
unternommen worden, darunter auch solche mit „außerkörperlichen Erlebnissen“
(out of body experiences). Im Schlaf, Erschöpfungszuständen, durch Drogenkonsum
usw. kann das bewußte Ich wie von außerhalb des Körpers erlebt werden.
Durch Experimente suchte die Parapsychologie die Möglichkeit dieser Art Seelenreise,
wie sie auch in vielen Religionen berichtet werden, zu beweisen. Hingewiesen sei
auch auf die sog. Ganzfeld-Experimente, bei denen eine von äußeren Reizen weitgehend
abgeschirmte Versuchsperson Mitteilungen einer Senderperson identifizieren
soll. Eine sorgfältige Analyse der zahlreichen Berichte über die Experimente ergab,
daß die zunächst behaupteten Psi-Phänomene nicht einmal statistisch erwiesen
waren.20 Da die behaupteten Phänomene mit den Grundannahmen der Wissenschaft
nicht zu vereinbaren waren und sind, wurde gefordert, daß solche Untersuchungen
methodisch das Außergewöhnliche des Okkulten berücksichtigen müßten.
Um sich vom alltäglichen Okkultismus zu unterscheiden, legten sich diese Unternehmungen
im Anschluß an den Philosophen Max Dessoir (1867-1947) den Namen
Parapsychologie zu. Diesen Ausdruck hatte der Psychologe T. K. Oesterreich21 aufgegriffen
und für den „wissenschaftlichen Okkultismus“ vorgeschlagen, er hat sich
inzwischen als Bezeichnung durchgesetzt.22 Die Parapsychologie sucht seit dem
Philosophen, Biologen und Theosophen Hans Driesch (1867-1941) eine Anerkennung
als Wissenschaft zu erhalten. Dies wird freilich bis heute aus methodischen
und theoretischen Gründen, aber auch wegen der immer wieder nachgewiesenen
Betrugsversuche abgewiesen. H. Driesch konstatierte 193223: „Restlos gesichert ist
nämlich unseres Erachtens auf parapsychologischem Boden zur Zeit schlechterdings
nichts, weil in keinem einzigen Fall die Untersuchungsbedingungen eine taschenspielerische
Täuschung seitens des Mediums oder eines Teilnehmers vollständig
ausschließen konnten – mag es sich um bewußte oder unbewußt-somnambule24
Täuschung handeln“. Um diesen Zustand zu überwinden, entfaltete er in seinem
Buch eine parapsychologische Methodenlehre, mit der er eine Sicherung der okkulten
Phänomene und der parapsychologischen Lehre herbeiführen wollte.
Die Parapsychologie will Wissenschaft sein, Wissenschaft des Außergewöhnlichen
an den Grenzen des bisherigen Wissens. Sie fordert allerdings besondere Methoden,
die dem Außergewöhnlichen entsprechen. Der Parapsychologe J. Mischo definiert
im Anschluß an den Theosophen C. Kiesewetter (18xx-1895): „Unter Okkultismus
wird hier die praktische und theoretische Beschäftigung mit den geheimen, verborgenen,
von der Wissenschaft noch nicht allgemein anerkannten Erscheinungen des
Natur- und Seelenlebens verstanden, die die gewöhnlichen Gesetzmäßigkeiten zu
durchbrechen scheinen und vielfach als ‚übernatürlich‘ angesehen werden.“25 Durch
diesen Anspruch des Okkultismus, Wissen, und der Parapsychologie, Wissenschaft
zu sein, unterscheidet sie sich deutlich von anderen okkulten Auffassungen, die sich
eher an die als heterodox, häretisch oder „abergläubisch“ angesehenen Richtungen
aus vielen Religionen der Menschheit anschließen. Die Parapsychologie sieht sich
mehr auf der Seite der Wissenschaft als der der Religionen und sie hat dazu beigetragen,
daß okkulte Phänomene und das Wissen von ihnen als „höheres Wissen“, als
der „gesamten archaischen Menschheit bekanntes Wissen“ angesehen wird, das es,
wie das New Age propagiert hat, wieder zu erlangen gelte, um die durch die modernen
Wissenschaften erzeugten Probleme (z.B. die Ökologiekrise) zu überwinden.
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