Praktiken und Rituale

12. Februar 2011
Praktiken und Rituale
Natürlich sind hier nicht alle Praktiken und Rituale aufführbar. Das wäre ausufernd
und würde den Rahmen einer Broschüre sprengen. Exemplarisch sollen hier die für
alle satanistischen Gruppen, Organisationen, Logen und Kirchen entsprechenden
Praktiken und Rituale thematisiert werden, so daß der Leser einen kleinen Einblick
in die Vielfalt satanistischer Praktiken und Rituale bekommt. Nun sind nicht alle
Praktiken und Rituale als kriminell zu bewerten, deswegen werde ich mich exemplarisch
mehr auf diejenigen beschränken, die sich im „Graubereich“ exzessiver, perverser,
psychopathologischer und krimineller Energie bewegen.
5.1 Lehrabend und Ekeltraining
Bevor ein Proband die Initiation (Einweihung) des 1. Grades erhält, muß er in einigen
satanistischen Gruppen und Organisationen sogenannte „Lehrabende“ durchlaufen.
Diese Lehrabende beruhen auf der Prämisse, daß nur derjenige die Power
Satans erhält, der bereit ist, menschliche Barrieren, zum Beispiel die Ekelschwelle zu
ignorieren und zu überspringen. Das Argument für diese Praxis lautet in den Gruppen
unisono: „…Man muß seine Grenzen austesten, alte Lehrsätze überprüfen, ob sie
heute überhaupt noch Bestand haben…u.ä.“ Im Thelema-Netzwerk des Michael Dieter
Eschner wurden diese Lehrabende teilweise als „Ekeltrainings“ durchgeführt.
Den Einstiegswilligen wurde nach reichlichem Wodkagenuß vom Ausbilder der
Befehl zuteil, Kot und Urin zu konsumieren. Psychologisch betrachtet bedeutet das,
daß in der Qualität kommender Befehle seitens der Anführerschaft nach oben hin
keine Limits mehr vorhanden sein müssen. Mit anderen Worten ausgedrückt: Wenn
ich erst einmal diesen Schritt gegangen bin, etwas zu tun, was mir zutiefst zuwider
ist, gleichsam ein Tabu darstellt, können mir der oder die Anführer so ziemlich alles
befehlen, ich werde es ausführen. Wir haben es hier mit oftmals bewußt provozierten
Tabubrüchen zu tun und man braucht kein Psychologe oder Psychotherapeut zu
sein, um festzustellen, daß Tabubrüche psychopathologische Folgeerscheinungen in
sich bergen. In den Beratungen von Aussteigern bekommt man einen Eindruck, wie
wirksam hier die Psyche manipuliert, und die zu initiierende Person von der Willkür
des Leiters abhängig gemacht wird.
Lehrabende werden aber nicht nur als Ekeltrainings vor dem Initiationsritual durchgeführt,
sondern sie werden auch nach der Einweihung dazu benutzt, um die Novizen,
Neophyten, Adepten etc. in die Welt der Magie einzuführen. Thelemiten benutzen in
ihren Lehrabenden dazu das dreibändige und teure Standardwerk „Die geheimen
Unterweisungen und Rituale des Hermetischen Ordens der Goldenen Dämmerung“.44
Praktiken und Rituale 83
44 Vgl. Michael D. Eschner, .Die geheimen Unterweisungen und Rituale des Hermetischen Ordens
der Goldenen Dämmerung . Bd. 1 und Bd. 2 und die .Flying Rolls., Bergen/Dumme 1993
5.2 Arkandisziplin (AD)
Jede Satansorganisation (Kult), Gruppe, Loge oder jeder Orden pflegt ihre, bzw.
seine „Arkandisziplin“, d.h. initiierte (eingeweihte) Mitglieder dürfen bei martialischer
Strafandrohung (z.B. Folter, Vergewaltigung, Tod usw.) keine Informationen
über die Infrastruktur und den Organisationsgrad der Gruppe, Loge, des Ordens
nach außen weitergeben. Auch dürfen sie nicht über Initiationsgrade, über den
genauen Ablauf von Ritualen oder sonstigen Praktiken berichten. Das Initiationsritual
bindet ferner die Mitglieder zeit ihres Lebens an die Organisation. Sie können
nach dem Selbstverständnis der Gruppe, Loge oder des Ordens nicht mehr aussteigen.
Es sei denn, die Organisation würde sich selber auflösen oder die zweite Möglichkeit,
dem „Eingeweihten“ ereilt der Tod.
Ausstiegswilligen wird die wilde Entschlossenheit der Organisation, sie nicht so
ohne weiteres ziehen zulassen, psychisch wie physisch vor Augen geführt. Aussteiger
sind einem permanenten Druck ausgesetzt. Sie bekommen Pakete mit halbverwesten
schwarzen Katzen oder Hähnen zugeschickt. Ein anderes probates Mittel um
Angst zu verbreiten, ist das Auslegen von toten Ratten in Pentagrammform vor die
Wohnungstür des Ex-Mitgliedes. Es werden anonyme Schreiben verfaßt, die für die
Betroffenen z.B. konkrete Todesdaten zum Inhalt haben. Es wird dem sozialen
Umfeld gedroht. Es bleibt festzuhalten, bei allen Gruppen, seien sie auch noch so
unterschiedlich geprägt, werden Disziplinierungsinstrumentarien angewandt, die
Praxis der Mittel sind zwar sehr unterschiedlich und scheinen dem intellektuellen
Niveau der Mitglieder angepaßt, die Auswirkung auf die Konvertiten bleibt allerdings
gleich.
Daß solche Druckmechanismen greifen, hängt zum einen mit dem magischen Verständnis
der Involvierten zusammen; zum anderen sind sich die meisten Mitglieder
der Tatsache bewußt, daß es bei den praktizierten Ritualen oder sonstigen Praktiken
der Gruppe häufig zu Straftatbeständen kommt, die, einmal bekanntgeworden, notwendigerweise
eine Strafverfolgung durch Staatsanwaltschaft und Polizei nach sich
ziehen. Ex-Satanisten führen in Gesprächen neben ideologischen auch ökonomische
Gründe an, warum das Verletzen der AD und der damit oftmals verbundene Ausstieg
der „AD-Verletzer“ so unnachgiebig und unerbittlich durch die Organisation
verfolgt wird. Jeder Aussteiger dokumentiert mit seiner Verhaltensweise, daß entgegen
der Prämisse z.B. im „Okkultistisch-traditionellen Satanismus“, Satan nicht über
die Allgewalt auf Erden verfügt, er nicht der „Fürst (Herrscher) dieser Welt“ ist und
daß man dementsprechend unbeschadet die ideologische Rüstung wechseln kann.
Die Akzeptanz eines solchen Schrittes durch die Satansgruppe, -loge oder den
Satansorden bedeutet, daß der Untergang dieses Satanskultes vorprogrammiert ist!
Auch haben Satansorganisationen durchaus ein ökonomisch-monetäres Interesse,
daß die Involvierung ihrer Anhänger festgeschrieben wird. Das sichert auch zukünftige
Einnahmen u.a. durch den Zwang der weiblichen Mitglieder zur Prostitution,
Drogen-Deals, Hehlerei und Erpressen „freiwillig gezahlter“ Geldbeträge.
84 Satanismus
5.3 Schwarze Messe
Die schwarze Messe stellt die Umkehrung des christlichen Ritus, genauer der
römisch-katholischen Messe dar. Zum Szenarium satanistischer Messen gehört
schwarzes Tuch, Paramente, vergleichbar den liturgischen Gewändern der katholischen
Priestern oder Mönche. Meßbücher und -pulte finden Verwendung45. Die
schwarze Messe nach Anton Szandor LaVey wird mehr in der Form eines (perversen)
Psychodramas zelebriert, die Dvorak46 folgendermaßen beschreibt:
„Verwendet werden dabei Texte aus der Bibel, dem Missale Romanum (in entsprechend pervertierter
Form) von Charles Baudelaire und aus Joris-Karl Hysmans satanistischen Schlüsselroman
‚La Bas‘.
Der Kultraum ist einer gotischen Kapelle nachempfunden, als liturgische Musik spielt
eine Orgel Werke von Bach und Palestrina, unter dem Bildnis Baphomets hängt über einer
nackten Frau ein auf den Kopf gestelltes Kruzifix. Als Hostie dient ein Rübenschnitzel, das
Weihwasser wird durch den Urin einer als Nonne verkleideten Hexe ersetzt, die ihn zuvor
coram publico in einen Nachttopf strömen läßt. Das Gloria der Schwarzen Messe lautet:
‚Gloria Deo, Domino Inferi, etin terra vita hominibus fortibus. Laudamus te. Benedicimus te,
adoramus te, glorificamus te propter magnam potentiam tuam: Domine Satanas, Rex Inferus
Imperator omnipotens.‘„
5.4 Teufelspakt
Die schwarze Messe bietet unter anderem den Rahmen, Probanden (Einstiegswillige)
in den Kult einzuweihen. Als wesentlichen Bestandteil in diesem Zusammenhang
ist der Teufelspakt zu benennen, der den Einstieg letztendgültig besiegelt. Die
Geschichte der Teufelspakte geht bis in das Altertum zurück, deren Wurzel aber bis
in altjüdische schwarze Magie der Kischuph fußt.47 Die Anrufung Satans geschah
durch Beschwörungsrituale, die vor allem mit blutigen Opfern und Räucherungen
vollzogen wurden. Gregorius stellt dazu weiter fest: „Vor allem galt das Blut im jüdischen
Zauberwesen, wie auch heute noch in der satanistischen Magie, nicht nur als ein Materialisationsmittel
bei der Beschwörung, sondern war und ist noch ein direktes Nahrungsmittel
der erscheinenden Geister, welche ihre stoffliche Ergänzung aus Blut und Spermaessenz
ziehen.“48
Einen 14 Paragraphen umfassenden mittelalterlichen Teufelspakt aus dem Lateinischen
nach Guaccius49 wird zumindest in Teilvarianten auch gegenwärtig in satanistischen
Gruppen, Organisationen, Logen benutzt:
Praktiken und Rituale 85
45 Sh. Crispino, Giovanni, Zatterin, .Das Buch vom Teufel., S. 73, Frankfurt/M. 1987.
46 Sh. Dvorak, a.a.O., S. 103, zitiert bei J. Schmidt, a.a.O., S. 164 f.
47 Sh. Gregor A.Gregorius, .Satanische Magie., Berlin 1983.
48 A.a.O., Gregor Gregorius
49 Compend. Malef. zitiert in Sinistrari d.Améno: De Daemonialitate, entnommen aus a.a.O.
Der Teufelspakt
§ 1. Die Novizen müssen einen ordnungsgemäßen, mit eigenem Blut geschriebenen Pakt mit
dem Teufel oder irgendeinem anderen Hexenmeister bzw. Magier, als des Teufels Stellvertreter,
schließen und damit durch diesen Pakt, möglichst im Beisein von Zeugen, in den Dienst
des Teufels treten. Es werden ihnen dafür vom Teufel seinerseits alle erdenklichen und
gewünschten Ehrungen, grenzenloser Reichtum und sämtliche sinnliche Genüsse der Erde
versprochen.
§ 2. Die Novizen müssen dem christlich-katholischen Glauben abschwören und sich damit
der Zugehörigkeit Gottes entziehen. Sie verzichten auf jede Zugehörigkeit zu Christus, auf
den Schutz der heiligen Jungfrau Maria und auf alle Sakramente der Kirche.
§ 3. Die Novizen werfen den Rosenkranz der heiligen Jungfrau Maria von sich, die Schnur
des heiligen Franziskus von Assisi, den Riemen des heiligen Augustin, das Skapulier der
Karmeliten, je nachdem zu welchen Orden sie gehören. Ferner entsagen sie dem Kruzifix, den
heiligen Medaillons, dem Agnus Dei, kurz, allem Heiligen und Gesegneten, was sie bei sich
tragen oder das sich in ihrer Umgebung findet.
§ 4. Die Novizen leisten dem Teufel den Eid des Gehorsams und der Unterwerfung für ihr
ganzes Erdenleben, und verpflichten sich, niemals mehr zum christlichen Glauben zurückzukehren,
kein Gebot Gottes mehr zu halten, niemals eine gute Tat zu tun, vielmehr immer nur
Satan zu gehorchen und die nächtlichen Zusammenkünfte so häufig wie möglich zu besuchen,
auf keinem Hexensabbat zu fehlen und bei jeder schwarzen Messe anwesend zu sein.
§ 5. Die Novizen versprechen ihre ganze Kraft, ihre größte Sorgfalt und besonderen Eifer
daran zu verwenden, um andere weibliche und männliche Geschöpfe dem Teufelsdienst zuzuführen.
§ 6. Die Novizen haben sich bei der nächsten Sitzung der satanistisch-sakrilegischen Taufe
zu unterziehen. Hierbei verzichten sie ausdrücklich auf die Paten und Patinnen ihrer christlichen
Taufe und verfluchen dieselben und erhalten vom Teufel neue Paten zugewiesen, welche
sie besonders in der schwarzen Kunst unterrichten sollen. Sie legen ihren bisherigen
Namen ab und erhalten einen neuen satanistischen Erkennungsnamen.
§ 7. Die Novizen haben ein Stück aus ihrer eigenen Kleidung sowie Haare von ihrem Kopf
und Schamteilen und einige Nägel von ihren Füßen und Händen dem Teufel auszuhändigen.
§ 8. Die Novizen erhalten bei Gelegenheit der schwarzen Messe einen Krötenteufel oder einen
Krötensalamander zur Aufbewahrung als Schutz- oder Hausgeist ausgehändigt, den sie sorgfältig
pflegen und hegen müssen.
§ 9. Die Novizen werden vom Teufel aus dem Buche Christi gestrichen, dagegen in seinem
Buche immatrikuliert. Bei der Zeremonie müssen sie das Buch, in welches ihre Seelen eingetragen
werden, feierlichst mit dem Munde berühren.
§ 10. Die Novizen versprechen, dem Teufel zu bestimmten Zeiten Opfergaben und Geschenke
darzubringen, unter feierlicher Zeremonie und Räucherwerk. Mindestens einmal im
Monat haben sie ein kleines Kind zu schlachten und dessen Blut in einer Opferschale feierlich
dem Teufel zu weihen. Während des Vollmondes wird das Blut zur Nahrung für die Elementarwesen,
Vampire und Werwölfe bereitgehalten und ausgestellt.
§ 11. Die Novizen werden vom Teufel mit dem sogenannten Satanszeichen gezeichnet,
besonders diejenigen, welche eine bevorzugte Stellung genießen. Das Zeichen wird vom
86 Satanismus
Satan und seinen Gehilfen an den verborgensten Stellen des Körpers eingedrückt. Bei den
Männern unter den Augenlidern, Achselhöhlen, auf den Lippen oder Schultern, auf das
Gesäß, und bei den Frauen auf die Brüste oder die Schamteile.
§ 12. Die Novizen verpflichten sich, bei jeder Gelegenheit die heiligen Bildnisse der Jungfrau
Maria, das Kruzifix usw., welche sie habhaftig werden können oder an die sie herankommen
können, zu verunglimpfen oder gar zu vernichten. Es ist streng verboten, sich einer sakramentellen
Beichte zu unterziehen.
§ 13. Allmonatlich haben die Novizen nach den jeweiligen Anweisungen ihre Ortschaften
und Distrikte mit Hagel, Sturm, Feuersbrunst, Viehseuchen, Kinderkrankheiten usw., nach
Möglichkeit zu überziehen und zu verhexen.
§ 14. Bei der nächsten feierlichen Zusammenkunft wird dieser Pakt, nachdem er mit der
Unterschrift des eigenen Blutes unterzeichnet ist, vom Teufel genehmigt und den Novizen
ein besonderer Magistellus, gleich Lehrdämon, welcher als besonderer Freund oder Freundin
zu gelten hat und mit dem eine geschlechtliche Vereinigung an den betreffenden Abenden zur
Einweihung mehrmals zu erfolgen hat, zugewiesen. Ältere, nicht mehr jugendliche Novizen
erhalten als Partner einen Bock, einen Satyr aus dem Elementarreiche zugewiesen.
5.5 Rituelle Magie
„Hinter der satanischen (schwarzen) Magie50 steht als treibende Kraft das Verlangen
nach Macht“; so sieht es jedenfalls der in Szene bekannte Schwarzmagier Richard
Cavendish51 und stellt dazu fest, daß das höchste Ziel eines Schwarzmagiers sei, die
absolute Macht über den Kosmos zu bekommen und damit Gott gleich zu werden.
Dazu muß er sich der Energien bemächtigen, die oft von Satanisten in zwei Bereiche
unterteilt wird: Einmal die kleine, niedere Magie, angewandte Manipulationstechniken
zur Bewältigung von Alltagsproblemen und zum anderen die große Magie, das
sind komplexe Ritualsysteme, die das Brechen von Naturgesetzen zum Inhalt haben.
Wenig halte ich von der Unterscheidung „weißer“ und „schwarzer“ Magie, denn
jeder ernsthafte Magier ist davon überzeugt, daß nach dem monistisch-holistischen
Weltbild nur ein Energiestrom (Aspekte einer Gegebenheit) unseren Kosmos durchwaltet.
Mittels magischer Rituale kann sich der Magier dieses Energiestromes
bemächtigen, ihn seinem Willen unterwerfen und es liegt entscheidend bei ihm, wie
er diesen verwendet, zum Guten für einzelne Menschen – das wurde dann volkstümlich
als „weiße Magie“ verstanden – oder zum Schaden – dann war es die
„schwarze Magie“ oder „linkshändige Magie“.
Praktiken und Rituale 87
50 Sh. Werner F. Bonin, .Lexikon der Parapsychologie., Bern, München 1988. Stichwort Magie:
Magie (griech. Zauberei. Unter Magie versteht man seit alters her die Kunst, außerordentliche
und wunderbare Wirkungen hervorzubringen, welche mit den bekannten Naturkräften oder vermittelst
der im Menschen wohnenden, bekannten Fähigkeiten nicht zu erreichen ist. Um magische
Phänomene zu erzielen, suchte man sich daher meist mit Geistern in Verbindung zu setzen
. guten oder bösen…(Staudenmaier 1968). Der Begriff Magie (Magier) entstammt wohl aus der
Zeit Herodots (484 – 425 v. Chr.) und geht auf einen Stamm der Meder zurück, der für seine
Kenntnisse im okkulten Bereich (Astrologie, Traumdeutung u.ä.) berühmt war.
51 Vgl. Richard Cavendish, .Die schwarze Magie., Verlag Richard Schikowski, Berlin 1980
Das magische Weltbild bedingt die Anschauung, daß der Magier in den Kosmos und
der Kosmos in ihm aufgeht. Seine Kräfte die in ihm schlummern, können sich zu
unermeßlich steigernden Impulsen ausufern. Er erfährt dadurch eine Gottgleichheit,
denn die Kräfte Gottes stehen ihm zur Verfügung. Eliphas Levi, ein französischer
Magier des 19. Jahrhunderts, beschrieb diese Kräfte in seinem Werk „Schlüssel der
Mysterien“: „Mit Festigkeit zu behaupten und zu wollen, was sein soll, heißt erschaffen,
und mit Festigkeit zu behaupten und zu wollen, was nicht sein soll, heißt zerstören.“
52
Verschiedene Magien stehen dem Magus zur Verfügung. Die gefährlichsten heißen:
Nekromantie – Beschwörung der Toten, eine der gefährlichsten, widerwärtigsten
und ekelhaftesten magischen Praktiken, denn nach magischer Vorstellung ziehen sie
durch die grausamen Praktiken destruktive Energien auf den Magus, die diesem
dann noch lange anhaften;
Imitative Magie – das Nachahmen;
Analogie-Prinzip – das Gesetz „Gleiches zu Gleichem“;
Zahlenmagie;
Kabbala – jüdische Geheimlehre, folgt den alten magischen Prinzipien, wonach das
Universum eine Einheit, die durch Zahlen und die Planeten einen Zusammenhang
bilden;
Tarot-Magie;
Gematria – Buchstaben eines Wortes in die ihm entsprechenden Zahlen verwandeln.
Dann die Zahlen addieren und dann ein zweites Wort für das erste einsetzen, das die
gleiche Additionssumme aufweist;
Namensmagie – Vorstellung, daß im wirklichen Namen von Göttern, Dämonen und
Teufeln auch ihre Wesenskräfte enthalten sind;
Alchimie – Beschäftigung mit Metallen und der Glaube, aus Materie Gold machen
zu können;
Stein der Weisen – Magisches Wissen um die Gottwerdung des Magus und die
damit verbundene Unsterblichkeit;
Lebenselexier – beruht auf den Fund des „Stein der Weisen“ und bedeutet Besitz der
ewigen Jugend;
Astrologie – spielt in allen magischen Systemen eine bedeutende Rolle;
Niedere Magie – vulgärmagische Prozeduren mit dem Zweck, in seine Umwelt
manipulativ eingreifen zu wollen.
Für die Vorbereitung magischer Rituale ist die „Weihe“ des Magus von entscheidender
Bedeutung. Rituelle Waschungen gehören genauso dazu, wie das Einrichten
eines magischen Kreises, indem dann Opferungen vollzogen werden. Für die Zeremonien
sind ein rituelles Schwert, genauso wie ein Kleindolch als „magische Waffen“
unerläßlich. Zu den „magischen Waffen“ zählt auch der Zauberstab, das wich-
88 Satanismus
52 Eliphas Levi, .Key of the Mysteries..
tigste Zeichen magischer Kraft und Vollmacht. Auch auf die Bekleidung sollt der
Magus ungeheuren Wert legen. Nach der Vorstellung aller magischer Systeme befinden
sich in der geistigen Welt die verschiedensten Klassen von Geistern und Dämonen,
zum Beispiel Geister der sieben Planeten, der Himmelsrichtungen, des Tages
und des Nachts, der Wochentage, Elementargeister von Luft, Feuer, Wasser, Erde.
Diese galt es zu beschwören und sich ihrer Dienste zu sichern.
Noch ein Wort zur magischen Literatur. Als eine viel gelesene Abhandlung über die
„satanische Magie“ muß das Buch „Necronomicon“ von Howard Phillips Lovecraft,
einem an Okkultthemen interessierten Horrorkrimiautor eingestuft werden. Lovecraft
behauptet, daß er dieses Werk dem „verrückten Araber Abdul Alhazred“ zu
verdanken habe. Inhaltlich wird im Buch die Mythologie um den „gefürchteten
Ethulu“ ausgebreitet. Formeln über Geisterbeschwörungen ergänzen dieses Werk.
Gregor Gregorius Werk „Satanische Magie“ ist ein kurzer historischer Abriß über die
Magie. Einem Standardwerk in der magischen Szene kommt das Buch von Richard
Cavendish „Die schwarze Magie“ gleich. Cavendish beschreibt hier ausführlich das
Weltbild und die verschieden Praktiken der Magier. Alle Werke sind erschienen im
Richard Schikowski Verlag in Berlin. „Das sechste und siebente Buch Mosis“, das in
Gesprächen und Diskussionen häufig Erwähnung findet, stellt eine Sammlung von
magischen Rezepturen für die Bewältigung verschiedenster Probleme im Alltag
(Liebeszauber) und für die Heilung erkrankter Zeitgenossen zur Verfügung. Es ist
bei vielen Rezepturen davon abzuraten, diese auch in die Tat umzusetzen, da sonst
die körperliche und psychische Gesundheit gefährdet erscheint.
Andere praktizierte Rituale sind zum Beispiel Bann(ungs)rituale. Phil Hine, eine
bekannte Größe in der Szene, stellt dazu fest: „Wenn ich für jede Person, die ich während
der letzten Jahre traf, und die zu mir sagte, ‚ich mache mir nichts aus Bannungsritualen’ und
sich dann anfing zu wundern, warum sie Probleme mit ihrer Magie bekam, wenn ich also für
jede solche Person 1 Pfund Sterling bekommen hätte, nun, ich hätte genug Geld für eine
Mahlzeit in einem gediegenen Londoner Restaurant. Ein Bannungsritual ist das erste, was
Du lernen solltest, wenn Du Dich mit Magie beschäftigst (meiner Meinung nach zumindest),
und dies zu tun, spart später jede Menge Ärger. ‚Bannen’ wird auch als ‚zentrieren’
bezeichnet, was in mancher Hinsicht ein passender Ausdruck für die Übung ist.“53
5.6 Opferrituale
Obwohl von den meisten satanistischen Organisationen in der Öffentlichkeit
Gewalttaten abgelehnt werden, kommen doch bei einzelnen von ihnen verschiedenste
Opferrituale zur Anwendung:
Hochzeitsrituale sind Indoktrinierungstechniken, um vor allem mißbrauchten und
ritualgeschädigten Kindern durch „Scheinheirat“ die Möglichkeit zu nehmen, den
Praktiken und Rituale 89
53 Sh. AHA 8/Oktober/November 1993
Peiniger öffentlich (z.B. bei der Polizei anzuzeigen) zu benennen, denn einen „Ehepartner“
zeigt man nicht an.
Bei Wiedergeburtsritualen wird das Neumitglied in einen Sarg mit einer noch „frischen
Leiche“ gelegt und dann mittels Ritual in den Kult neu hineingeboren. Ein
starkes Indoktrinierungsmittel!
Tötungsrituale
Eine der wichtigen älteren Quellen finden wir bei M. Psellus und seiner Beschreibung
des Satanskultes der Euchiten: „Die Euchiten verzichteten auf das himmlische Prinzip
und weihten sich dem Satanskult. Diese Sekte versammelte sich von Zeit zu Zeit in geheimen,
vorher bezeichneten Häusern, jeder eine Fackel in der Hand tragend. Dort sangen sie
eine Art von Litanei, die aus Dämonenbeschwörungen bestand, bis sie in die Mitte des Raumes
den Teufel in der Gestalt eines Bockes erscheinen sahen. Dies war ein Zeichen! Alle
löschten die Fackeln aus und jeder vereinigte sich mit der Frau, die ihm im Dunkeln zufiel,
gleich, ob er sie kannte, ob es seine Mutter oder Schwester war, oder das Weib des Freundes,
ob alt oder jung. Nach neun Monaten kamen sie wieder zusammen. Die neugeborenen Kinder,
die aus der schändlichen Vereinigung stammten, verbrannten sie, vermischten ihre
Asche mit dem bei der Geburt aufgefangenen Blute und ihrem Sperma. (Eine andere Abart
dieser Sekte, die Tractucellen, töteten die Kinder, indem sie einen Kreis bildend, die armen
Geschöpfe von Hand zu Hand warfen, bis diese starben.) Die auf diese Art gewonnene Substanz
mischten sie zwischen ihren Speisen; man sagt, wer einmal davon gekostet hatte, verfiel
unrettbar dem Satanskult.“54
Tötungen spielen im satanistischen Ritualwesen durchaus eine, wenn auch nur kleine
Rolle. Es ist nicht auszuschließen, daß es in Deutschland wie in den angloamerikanischen
Ländern in Vergangenheit und Gegenwart zu Ritualmorden gekommen
ist. Allein es konnte bisher in der Bundesrepublik noch kein Fall zu Ende ermittelt
werden, der bei Gericht eine Anklage, geschweige denn eine Verurteilung zugelassen
hätte. Worauf beruht die scheinbare Diskrepanz der Aussagen von betroffenen
Ehemaligen über Ritualtötungen und -morde einerseits und den negativen Ermittlungsergebnissen
der Strafverfolgungsbehörden andererseits? Nicht immer sind
Strafverfolgungsbehörden und ihre Beamte in der Lage zu erkennen, ob eine Straftat
(Tötung oder Mord) aus dem Milieu von okkultmotivierter Straftäter stammt.
Das hängt mit einer nicht ausreichenden Fort- und Weiterbildung für das weite Feld
okkult-ideologisch Verhaltensverformungen zusammen.
Bei okkult-ideologisch motivierten Tötungshandlungen empfiehlt die ehemalige
Betroffeneninitiave CAN aus den USA auf besondere Umstände zu achten:
• Symbole, besonders Pentagramme, bei denen zwei Spitzen nach Osten oder eine
Spitze auf einen Altar oder das Opfer zeigen.
• Zerstückelung der Leichen.
• Tierverstümmelungen. Satanisten sind der irrigen Ansicht, daß Satan die Vorder-
90 Satanismus
54 M. Psellus, De .Operatione Daemonum., p. 31., zitiert bei Gregorius, a.a.O.
füße der Tiere benutzt, um damit über die Erde zu gehen. Neben den Vorderfüßen
fehlen oft: Zunge, After, Genitalien.
• Tätowierungen, insbesondere schwarze Panther, Bocksköpfe, Figuren der griechischen
Mythologie, ein umgedrehtes Kreuz, eine Spinne (Schwarze Witwe), Totenschädel,
übers Kreuz angeordnete Totenknochen, ein Baphomet (ziegenköpfige
Männergestalt), eine Schlange oder ein Messer, von dem Blut herabtropft.
• Kerzen in der Umgebung des Opfers.
• Ritualgegenstände wie Glocken, Gongs, Räucherwerk, Kessel oder Schalen (für
Rituale), Altarsteine, ein umgedrehtes Kreuz oder Silber (in irgendeiner Art oder
Form, denn silberne Farbe werde von den Satanisten, als Gegensatz zum „christlichen
Gold“ bevorzugt).
• Gebeine: „Es besteht die Vorstellung bei Okkultisten, daß in den größeren Knochenpartien
die Seele bzw. der Spirit des Toten verbleibe“. Aus diesem Grunde,
wegen dem damit verbundenen Kräftezuwachs, käme es zu Grabschändungen
und Urnendiebstählen.
• Kräuter, darunter auch Haschisch oder den als „Elfenstuhl“ bekannten Pilz (psilocyle
mushroom), Fliegenpilz oder auch frischer Muskat können auf Rituale hinweisen.
• Stichwunden, vor allem Messerschnitte am Unterarm.55
5.7 Ritueller Mißbrauch
Immer wieder gibt es in den Gesprächen und Beratungen Hinweise, daß satanistische
Gruppierungen, Orden, Logen und Kirchen in Ritualen und Praktiken Mißbräuche
an Menschen begehen. Wie sind solch schwerwiegenden Aussagen einzuschätzen?
Als erste und wichtige Voraussetzung für die Verarbeitung dieser Informationen
ist eine klare Analyse vonnöten. Was ist möglich? Was kann nicht stimmen?
Wo ist die Geschichte in sich nicht konsistent? Welche Voraussetzungen sind
für den rituellen Mißbrauch von Bedeutung?
„Ritueller Mißbrauch ist schwerer sexueller, physischer und emotionaler Mißbrauch, der sich
in einem Kontext ereignet, verbunden mit Symbolen oder Tätigkeiten, die den Anschein von
Religiosität, Magie oder übernatürlichen Bedeutungen haben. Diese Tätigkeiten werden über
längere Zeit wiederholt, um die Kinder in Angst zu versetzen, sie gewaltsam einzuschüchtern
und um sie zu verwirren.“56
Nach dieser Definition von rituellem Mißbrauch lassen sich drei unterschiedliche
Ausprägungen differenzieren:
Praktiken und Rituale 91
55 Zitiert bei Fr.-Wilh. Haack, a.a.O.
56 Zitiert nach David Finkelhor, .Nursey Crimes-Sexual Abuse in Day Care. in Ingolf Christiansen,
Thorsten Becker, Patrick Felsner, .Satanismus und Ritueller Mißbrauch . Aktuelle Entwicklungen
und Konsequenzen für die Jugendhilfe., Hamburg 1996.
1. Kultisch-ritueller Mißbrauch, geprägt durch Praktiken vor allem der Sexualmagie.
Die Verbindung von exzessiven sexuellen Gewalterfahrungen, verbunden
mit mystischen und magischen Erleben können den Verlust des Egos bedingen und
stärkt andererseits das Gruppenzugehörigkeitsgefühl und den Zusammenhalt.
2. Pseudo-ritueller Mißbrauch findet meist in mehr oder weniger stark kriminalisierten
Milieus statt. Das Ritual bezieht sich nicht auf Inhalte, sondern auf die regelmäßige
Wiederkehr und unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführte sexuellen
Handlungsweisen an potentiellen Opfern. Hier gibt es keinen ideologischen
Hintergrund, und wenn, dann ist er meist nur aufgesetzt, um die pädophilen oder
pornographischen Neigungen und Ambitionen der Täter zu kaschieren. Kinder werden
meist mit „Bildern“ von Dämonen, Geistern und Monstern terrorisiert, um sie
zu willfährigen Opfern „abzurichten“. Mittlerweile scheinen sich Gerüchte zu bestätigen,
wonach Kinder, aber auch Erwachsene als Opfer auf „Snuff-Videos“ (das sind
Videos, bei denen die Mißhandlung bis zum Tod des Opfers gefilmt wird) abgefilmt
wurden.
3. Psychopathologisch-ritueller Mißbrauch beruht auf einem Wahn- und Zwangssystem
von Einzeltätern und ist häufig nur unter großen Schwierigkeiten vom Kultisch-
rituellem Mißbrauch zu unterscheiden. Im Vordergrund stehen dabei die Zentrierung
auf sexuelle, meist massive Perversionen.57
Die Frage nach der Realität solcher Taten führt inzwischen zu einem Expertenstreit,
wo der Gegenseite entweder vorgeworfen wird, sie verschließe die Augen vor den
offensichtlichen Tatbeständen oder die andere Seite, man betreibe das Geschäft der
Hysterie. Natürlich gibt es Auswüchse in bestimmten therapeutischen Verfahren
(Erinnerungstherapien) und man kann sich leider des Eindrucks nicht erwehren,
daßder Klient in einen „Satanismus“ hineingetrieben wird. Man kann davon ausgehen,
daß bei der Durchführung des rituellen Mißbrauchs die in der Fachwelt anerkannten
und von Lifton entwickelten acht Kriterien der Mind-Control zur Anwendung
kommen:
1. Millieukontrolle,
2. Mystische Manipulation, geplante Spontaneität,
3. Forderung nach Reinheit,
4. Kult des Sündenbekenntnisses,
5. Geheiligte Wissenschaft,
6. Manipulation der Sprache,
7. Vorrang der Lehre vor dem Menschen und
8. Zu- und Aberkennung der Existenzberechtigung.58
92 Satanismus
57 A.a.O., Thorsten Becker, Patrick Felsner.
58 Vgl. Robert J. Lifton, .Thought Reform and the Psychology of Totalism . A Study of Brainwashing
in China., New York 1961

Kommentare sind geschlossen